2007-07-10

Ratzinger: Zum Königtum Jesu


»Der Teufel führt den Herrn visionär auf einen hohen Berg. Er zeigt ihm alle Königreiche der Erde und deren Glanz und bietet ihm das Weltkönigtum an. Ist das nicht genau die Sendung des Messias? Soll er nicht der Weltkönig sein, der die ganze Erde in einem großen Reich des Friedens und des Wohlstands vereinigt?« [S. 67]
Jesu »Macht setzt das Kreuz voraus, setzt seinen Tod voraus. Sie setzt den anderen Berg voraus - Golgotha, wo er, von den Menschen verspottet und von den Seinigen verlassen, am Kreuz hängt und stirbt. Das Reich Christi ist anders als die Königreiche der Erde und ihr Glanz, den Satan vorführt. Dieser Glanz ist, wie das griechische Wort doxa besagt, Schein, der sich auflöst. Solchen Glanz hat Christi Reich nicht. Es wächst durch die Demut der Verkündigung in denen, die sich zu seinen Jüngern machen lassen, die getauft werden auf den dreifaltigen Gott und die seine Gebote halten (Mt 28,19f).« [S. 68]
Der wahre Gehalt der Versuchung »wird sichtbar, wenn wir sehen, wie sie die Geschichte hindurch immer neue Gestalt annimmt. Das christliche Kaisertum versuchte alsbald, den Glauben zum politischen Faktor der Reichseinheit zu machen. Das Reich Christi soll nun doch die Gestalt eines politischen Reiches und seines Glanzes erhalten. Der Ohnmacht des Glaubens, der irdischen Ohnmacht Jesu Christi soll durch politische und militärische Macht aufgeholfen werden. In allen Jahrhunderten ist in vielfältigen Formen diese Versuchung immer neu aufgestanden, den Glauben durch Macht sicherzustellen, und immer wieder drohte er gerade in den Umarmungen der Macht erstickt zu werden. Der Kampf um die Freiheit der Kirche, der Kampf darum, dass Jesu Reich mit keinem politischen Gebilde identisch sein kann, muss alle Jahrhunderte geführt werden. Denn der Preis für die Verschmelzung von Glauben und politischer Macht besteht zuletzt immer darin, dass der Glaube in den Dienst der Macht tritt und sich ihren Maßstäben beugen muss.« [S. 68f.]
Barabbas (Bar-Abbas: "Sohn des Vaters"), Origines zufolge in vielen Handschriften der Evangelien bis ins 3. Jahrhundert "Jesus Barabbas" genannt, war eine Art messianischer Doppelgänger zu Jesus, freilich mit einer ganz anderen Zielsetzung und Handlungsweise: nämlich der des politischen, gewalttätigen Aufstandes (Mk 15,7; Lk 23,19.25; Mt 27,16). Mit Jesus und Barabbas, beide messianische Gestalten, stehen "zwei Formen des Messianismus" einander gegenüber. Von Pilatus vor die Wahl gestellt, welcher von beiden freigegeben werden soll, entscheiden die Massen sich nicht für diesen "geheimnisvollen Jesus, der das Sich-Verlieren als Weg zum Leben verkündet", sondern für den "Messias, der den Kampf anführt, der Freiheit und das eigene Reich verspricht".« [S. 69f.]

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