2007-07-17

Existentiell nötige Religiosität und ihre politische Vergötzung

Uns Menschen tut Religiosität existentiell not; ohne Religiosität hätte unser Verständnis von der Welt und von unserer Stellung in der Welt keinen verlässlichen Anker. Ohne Religiosität wären Führungslosigkeit, Leid, Hass und Ungerechtigkeit nicht widerlegt, ohne Religiosität könnten wir der Wirklichkeit keine Hoffnung entgegensetzen.
Das macht den schwachen Menschen stark. Darin liegt aber zugleich eine Gefahr. Nämlich dass das eigene religiöse Bedeutungsgefüge mit den darunterliegenden Grundmotivationen sich verselbstständigt, seine Bescheidenheit aufgibt, sich verabsolutiert und sich als Ideologie gegen die eigene Person und/oder gegen andere Menschen wendet.

Theologisches Selbstverständnis als "Betrachtung mit den Augen Gottes" -: damit fängt die Hybris bereits an, die in einem Circus vitiosus den Menschen aus dem Blick verlieren und nichts gewinnen kann als nebulösen Umfang. Theologien, die sich nicht mit dem Versuch bescheiden, Gott von den Menschen her zu denken, sondern aufgebrochen sind, den Menschen von Gott her zu denken, erheben sich über die Eigenschaft, die sie dennoch behalten: Menschenwerk zu sein.
Ich wende mich daher strikt gegen die ungefilterte Hereinnahme religiösen Verderbtheits-, Untergangs- und Endzeitdenkens in die Politik. Ich finde es allgemein fragwürdig, wenn gesellschaftliche und politische Probleme und Vorgänge religiös interpretiert werden. Ich achte die Religion eines Menschen, weil ich den Menschen achte; aber eben weil die Religion im Menschen ist, sind religiöse Denk-, Handlungs- und Sprechweisen menschlich - nicht weniger, aber auch nicht mehr. Wer das vergisst und meint, Gottes Denken denke in ihm, er sei Gottes Arm und aus ihm spreche Gottes Wort, ist vermessen, und ich sage - aus meiner Religiosität heraus -: er dient einem Götzen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen