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2007-07-22

Vernunft, Glaube, Liebe II

Augustinus (354-430) war bemüht, das vernunftbetonte Denken der griechischen Philosophen mit der gefühlsbetonten Lehre Jesu und seiner Apostel auszusöhnen. Nach Augustinus war der religiöse Glaube der philosophischen Erkenntnis nicht entgegengesetzt, sondern sie ergänzten einander: Um zu verstehen, müsse man glauben, und man müsse verstehen, um zu glauben".
Nach Abaelard muss die Offenbarungsreligion von der Vernunft gerechtfertigt werden.
Averroes unternahm den Versuch, die Gegensätze zwischen der aristotelischen Philosophie und der Offenbarungsreligion zu überwinden, indem er zwischen zwei getrennten Wirklichkeitssystemen unterschied: einem wissenschaftlichen System von Wahrheiten, das sich auf die Vernunft gründet, und einem religiösen System von Wahrheiten, das sich auf Offenbarung gründet, wobei der Vernunft der Vorrang vor der Religion gebühre. Averroes' Lehre von der so genannten "doppelten Wahrheit" beeinflusste viele muslimische, jüdische und christliche Philosophen, wurde allerdings von vielen auch abgelehnt und wurde so zu einer der wichtigsten Streitfragen der mittelalterlichen Philosophie.
Den Anhängern Averroes' hielt Thomas entgegen, dass die Wahrheit des Glaubens und die Wahrheit der Vernunft nicht im Widerspruch zueinander stünden, sondern lediglich zwei unterschiedlichen Bereichen angehörten. Nach Thomas wird die Wahrheit der Naturwissenschaft und die der Philosophie durch logisches Denken anhand von Tatsachen der Erfahrung gewonnen. Die Offenbarungslehren der Religion hingegen, wie die Doktrin der Dreieinigkeit, die Schöpfungsgeschichte sowie andere christliche Dogmen, liegen jenseits der vernunftsmäßigen Erkenntnis und müssen über den Glauben akzeptiert werden.
Scotus wandte sich gegen den Versuch Thomas von Aquins, die rationale Philosophie mit der Offenbarungsreligion in Einklang zu bringen. In einer Variation der Lehre des Averroes von der so genannten "doppelten Wahrheit" vertrat er die Auffassung, alle Glaubensbekenntnisse seien eine Sache des Glaubens, außer der Glaube an die Existenz Gottes, denn diese sei logisch nachweisbar.
Wilhelm von Ockham brachte die in nominalistischem Sinn radikalste Kritik gegen diejenigen Scholastiker vor, die an die immateriellen, unsichtbaren Dinge, wie Ideen, Wesenheiten und Allgemeinbegriffe glaubten. Er behauptete, dass solche abstrakten Wesenheiten bloß Verweise von Wörtern auf andere Wörter und nicht auf reelle Dinge seien. Seine berühmte Regel, die als "Ockhams Rasiermesser" bekannt wurde und die besagte, dass man nie mehr Dinge als existent voraussetzen sollte, als logisch unbedingt notwendig sind, wurde zum Grundsatz der modernen Wissenschaft und Philosophie.
(Großenteils wörtlich aus:
Friedhelm Lövenich: Abendlän­dische Philosophie - (MSN Encarta);
Text in English language)

Vernunft, Glaube, Liebe I

Nam quia in Dei sapientia non cognovit mundus per sapientiam Deum, placuit Deo per stultitiam praedicationis salvos facere credentes.
Denn da die Welt angesichts der Weisheit Gottes auf dem Weg ihrer Weisheit Gott nicht erkannte, beschloss Gott, alle, die glauben, durch die Torheit der Verkündigung zu retten.
For since in the wisdom of God the world through its wisdom did not know him, God was pleased through the foolishness of what was preached to save those who believe.
1 Kor 1, 21

2007-07-15

Vernunft und Religion

Die Vernunft halte religiöse Selbstsucht im Zaum! Man kann es auch, weniger säkularistisch, mit Johannes Scotus Eriugena (810-877) sagen: Zwar ist die Offenbarung  der menschlichen Vernunft nicht zugänglich; aber Offenbarung wie Vernunft stammen von dem Einen Gott, können folglich einander nicht widersprechen. Stellt also die Vernunft einen Widerspruch zu einer Offenbarung fest, so muss sie dem Anspruch dieser Offenbarung, göttlichen Ursprungs zu sein, widersprechen.

Zwei Haltungen müssen das Denken daran hindern, sich über seine Möglichkeiten und die Vernunft zu erheben: Liebe, und zwar Menschenliebe, (Augustinus) und Demut (Cusanus).
Liebe:

«Quia vero caritas aedificat (1 Cor 8,1), non permittit scientiam inflari.» (Augustinus, Sermo 354,6).
«Weil aber die Liebe aufbaut (1 Korinther 8,1), erlaubt sie es der Wissenschaft nicht, sich aufzublähen.» (Augustinus, Predigt 354,6).

Demut:
«Da der Erkenntnistrieb nicht umsonst in uns ist, geht unser Verlangen offenbar dahin zu wissen, dass wir nichts wissen. Bringen wir dieses Verlangen zur Vollendung, so erlangen wir die Wissenschaft des Nichtwissens (doctam ignorantiam).»
Nicolaus von Cues: Von der Wissenschaft des Nichtwissens (De docta ignorantia), 1. Buch, 1. Kap.
«Der große Dionysius sagt, die Erkenntnis Gottes führe mehr zum Nichts, als zu etwas hin. Das heilige Nichtwissen belehrt uns aber, dass, was der Vernunft nichts zu sein scheint, eben das unbegreiflich Größte ist.»
Derselbe, ebenda, 3. Buch, 17. Kap.